Worüber hast Du einmal getrauert?

Ich habe schon über Vieles getrauert, am Stärksten über den Verlust meinen 5jährigen Sohnes nach einem schweren Autounfall 2015, und 2-3 Jahre später über den Verlust meines Mannes, der mich und unsere Kinder verließ.

 

Welche Reaktion/Tat/Handlung eines anderen Menschen hat Dir geholfen/gutgetan?

Das ist ganz unterschiedlich. Oft half mir einfach Zuhören. Manchmal eine feste Umarmung. Praktische Hilfe half uns nach dem Unfall auch ganz doll, denn so konnten uns viele Menschen Anteilnahme ausdrücken ohne etwas sagen zu müssen.

 

Was ist Deine größte Erkenntnis, wenn es um Trauer geht?

Trauer ist so unglaublich unterschiedlich und jeder Mensch darf anders trauern. Die Trauer allerdings runterzuschlucken und nicht zuzulassen zerstört Menschen und Leben.

 

Was kann man gar nicht brauchen, wenn man trauert?

Gut gemeinte Ratschläge. Die bringen gar nichts, machen eher wütend. Und Sätze wie „Ich weiß wie es dir geht, ich habe auch mal…“ ist anmaßend und macht auch wütend. Selbst wenn man ähnliche Situationen hatte, kann Niemand wissen wie es einem geht, denn Verlust und Trauer sind für jeden einzelnen Menschen verschieden.

 

Wie fühlt sich Trost an?

Wie loslassen können. Eine Umarmung. Geborgenheit. Dasein. Geliebt und gehört zu werden.

 

Wie fühlt sich Trauer an? (ein Gefühl, eine Farbe, eine Empfindung, …)

Das kann ganz unterschiedlich sein. Manchmal ist sie wie Wut, manchmal weinen, Verzweiflung. Manchmal kann sie sogar fröhlich und lachen sein. Alles ist möglich und nichts davon ist falsch.

 

Worauf sollten Menschen achten die Trauernden begegnen?

Sie nicht zu ignorieren und zu tun als wäre alles „wie immer“. Füreinander dasein, wo es der Trauernde grade braucht. Einfach direkt fragen: „Was brauchst du? Wie kann ich dir helfen? Was kann ich für dich tun?“

 

Kann man sich auf Verlust und Trauer vorbereiten?

Nein, absolut nicht. Das ist wie sich auf einen Bumgeejump vorzubereiten. Du kannst versuchen Dir vorzustellen wie es sein könnte, aber du weißt nicht wie es sich in dem Moment wirklich anfühlt. Das ist wie mit Liebe: Man kann 100.000 Bücher über Liebe lesen, solange man nicht selbst geliebt hat, weiß man nicht wovon man spricht, und wie es sich anfühlt.

 

Kann Trost die Trauer ablösen?

Nein, ablösen nicht, aber abmildern, helfen. Es ist ein bisschen wie ein Teller der zerbrochen wird. Der Trost ist der Kleber der den Teller wieder zusammensetzt, aber es werden immer die Risse da bleiben, er wird nicht der alte Teller werden.  

 

Wie lange darf man trauern?

 Bis zu seinem Lebensende. Ich hörte von einer Freundin, dass ihre Mutter auch ein Kind verloren hat. Meine Freundin war das Kind danach, und sie sagte ihre eigene Mutter hat selbst auf dem Sterbebett, bevor sie selbst gegangen ist, noch um ihren kleinen Sohn geweint, der vor ihr gehen musste, auch, wenn sie sich darauf gefreut hat, ihn nach dem Einschlafen wieder zu sehen. Das fand ich ein wunderbares Bild für Trauer. Die Narbe im Herzen bleibt ewig, auch wenn die Wunde im Laufe der Zeit mehr verheilt.

 

Welche hilfreichen Strategien gibt es um Trauer zu erleichtern?

Mir half 1. darüber zu reden. Alles Schöne, Erinnerungen, wie auch die traurigen Sachen offen auszusprechen. Und 2. half mir (persönlich) in Aktion treten. Bei uns war es ein Unfall der hätte verhindert werden können, deshalb habe ich mich danach dafür eingesetzt, dass sich etwas ändert, um dem Ganzen eine Art „Sinn“ zu geben. Damit mein Sohn nicht umsonst so früh gehen musste. Ich habe über 50.000Unterschriften sammeln können und mir sagen heute noch viele Menschen, dass sie immer noch sehr bewegt sind von dem was uns passierte, was ich daraus gemacht habe, und sie nun ihn diesen Situationen achtsamer sind. Es war also nicht ganz umsonst.

 

Wie verliert man die Angst vor der Trauer?

Nur indem man sie zulässt (die Trauer). Natürlich kann man sich mental mit dem Thema Abschied, Verlust usw beschäftigen, aber es ist nie das Gleiche, wie wenn es einem passiert.

 

Was soll sich in unserer Gesellschaft verändern beim Thema Trauer?

Die Gesellschaft suggeriert mir nach meinem Empfinden immer wieder, dass „irgendwann auch mal gut ist“ mit Trauern. Das finde ich unglaublich schade, denn es gibt keine „Zeitspanne“ oder keinen „Zeitrahmen“ in dem man „fertig“ ist zu trauern. Es gibt immer wieder Momente in denen die Trauer plötzlich da ist- und das darf auch so sein! Das sollte mehr akzeptiert werden, anstatt Menschen die einen großen Verlust hatten, zu suggerieren sie wären nicht normal und müssten jetzt damit aufhören und, dass Menschen offener mit Trauer umgehen und Menschen die Trauern nicht ignorieren, sondern in dem Maße für sie da sind, wie es ihnen möglich ist.